Hausärzte überzeugen mehr als Beipackzettel |
Die Aufzählung von Risiken und Nebenwirkungen in den Packungsbeilagen von Medikamenten ängstigen viele Patienten. Die meisten nehmen dennoch ihre Medikamente regelmässig ein, wie sie Wissenschaftlern anvertrauten. Die meisten verlassen sich dabei auf die Erfahrung des verordnenden Hausarztes. Beipackzettel sind gesetzlich vorgeschrieben. Die Hersteller müssen in ihnen neben den zugelassenen Anwendungsgebieten und Dosierungen auch alle Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten nennen. Die meisten Menschen begrüssen die schriftliche Aufklärung über ihre Medikation, berichtet Dr. biol. hum. Dagmar Gröber-Grätz vom Institut für Allgemeinmedizin, Universität Ulm. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer, die oft lange Liste der Negativinformationen zu verdauen. Dies wurde in einer intensiven Befragung bei 71 Patienten in Ulm deutlich. Sehr viele Patienten sagten der Forschergruppe, dass sie die Packungsbeilagen aufmerksam lesen. Die Einstellung zu der Art der Information sei jedoch unterschiedlich. Manche hielten den Beipackzettel für überflüssig, andere fühlten sich in ihrer Medikamentenhandhabung bestätigt. Es gebe jedoch auch Patienten, welche die Lektüre als beängstigend oder abschreckend empfänden. Manche Patienten beklagten sich über „Horrorgeschichten“, die eigentlich dazu angetan wären, die Medikamente besser nicht einzunehmen. Tatsächlich gelten Beipackzettel unter Wissenschaftlern als ein möglicher Grund für die Bereitschaft der Patienten, die gemeinsam mit dem Arzt vereinbarten Medikamenteneinnahme einzuhalten. In einer Umfrage hatte beispielsweise ein Drittel der Befragten angegeben, ein Medikament schon einmal aufgrund der Informationen der Packungsbeilage abgesetzt oder gar nicht erst genommen zu haben. Trotz aller Kritik an der Art der Darstellung meinten die meisten Befragten, dass sie die Medikamente trotz der abschreckenden Wirkung der Beipackzettel weiter einnehmen wollen. Als Grund nannten sie das Vertrauen in ihren Hausarzt. Zu einem ähnlichen Ergebnis war vor einiger Zeit eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung gekommen. Dort hatten 97 Prozent der Befragten angegeben, dass sie dem Arzt als Informationsquelle hinsichtlich der Arzneimittelinformation vertrauen würden. Nach ihrem Eindruck spielen dabei auch Verdrängungsmechanismen eine grosse Rolle. Viele Patienten hätten den Eindruck, dass die Nebenwirkung sie persönlich nicht betreffen würden. Bei anderen sei der Leidensdruck so hoch, dass sie die Nebenwirkungen in Kauf nehmen würden. Quelle: Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2012)
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